Bürgerenergie steht vor neuen Herausforderungen

Jutta Niemann und Julia Verlinden im Austausch mit Energiegenossenschaften

Bürgerenergie hat die Energiewende wesentlich vorangebracht: 42 Prozent der installierten Leistung an Erneuerbaren Anlagen gehören Privatpersonen und Landwirt*innen, beim Blick auf PV-Anlagen sind es sogar 49 Prozent. Doch aktuell steht die Energiewende insgesamt und mit ihr die Bürgerenergie vor zahlreichen Herausforderungen. Das war Anlass für den Runden Tisch Bürgerenergie, zu dem Jutta Niemann Energiegenossenschaften aus ganz Baden-Württemberg nach Stuttgart eingeladen hatte. Etwa 20 Personen von ganz unterschiedlichen Energiegenossenschaften sowie von deren Verbänden waren der Einladung gefolgt. Julia Verlinden, die energiepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, sprach über die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung. Mit zu geringen Ausbaumengen in den EEG-Ausschreibungen und dem 52GW-Deckel, der dafür sorgen würde, dass kleine PV-Anlagen überhaupt keine EEG-Förderung mehr bekommen, sobald 52GW Photovoltaik in Deutschland installiert sind, erreicht die Bundesregierung die selbst gesetzten Ausbauziele von 65 Prozent Erneuerbaren bis 2030 nicht. Zum Erreichen der Pariser Klimaziele bräuchten wir aber noch deutlich ambitioniertere Ausbauziele, stellte Julia Verlinden klar.

Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer*innen angeregt. Denn die Herausforderungen für Energiegenossenschaften sind zahlreich. Viele davon sind Herausforderungen für die Energiewende und Klimaschutz im Allgemeinen. Der dringend notwendige Ausbau der Erneuerbaren Energien wird so ausgebremst. Der Windkraftausbau im Speziellen ist durch die Umstellung auf Ausschreibungen für die EEG-Vergütung durch Genossenschaften bereits ins Stocken geraten, da Windkraftprojekte aufgrund der großen Vorabinvestitionen im Genehmigungsverfahren und der damit verbundenen Unsicherheit, ob das Projekt überhaupt realisiert werden kann, zum existenziellen Problem werden können. Dies wird durch die bundesweit immer länger dauernden Genehmigungsprozesse nochmals verschärft. In den ersten sechs Monaten 2019 gab es in ganz Deutschland einen Bruttozubau von 86 Anlagen. Dies entspricht einem Rückgang um 82 Prozent im Vergleich zum bereits schwachen Vorjahreszeitraum. Sollten sich an den Rahmenbedingungen nicht bald möglichst etwas ändern, so besteht die Gefahr, dass bald die Anzahl der Windräder in Deutschland rückläufig sein wird. Das wäre ein fatales Zeichen für den Klimaschutz. Das baden-württembergische Umweltministerium hat das Problem erkannt, machte Jutta Niemann deutlich: Bis Herbst will das Umweltministerium Maßnahmen vorlegen, mit denen die Genehmigungsverfahren verbessert und vereinheitlicht werden und so auch beschleunigt werden sollen.

Für die Energiegenossenschaften selbst stellt sich zunehmend die Frage nach einer Professionalisierung. Da Erneuerbare Energie-Projekte immer anspruchsvoller und wirtschaftlich umfangreicher werden, z. B. wenn es um Wärmenetze für die Wärmewende geht, können sie oft nicht mehr von ehrenamtlichen Strukturen geleistet werden. Jutta Niemann versprach, diese Idee mitzunehmen und zu überlegen, in welcher Form das Land solche Prozesse unterstützen könnte: „Die Energiegenossenschaften sind zentrale Akteurinnen der Energiewende und sollen das auch in Zukunft sein. Das ist uns Grünen und dem Umweltministerium ein wichtiges Anliegen. Deshalb werde ich die Frage, wie die Professionalisierung der Energiegenossenschaften durch das Land unterstützt werden kann, gern mitnehmen und mit dem Umweltministerium diskutieren.“

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