Hebammenversorgung in Gefahr – Die Probleme

Studien zeigen: wenn Hebammen eine Schwangere kontinuierlich begleiten, kommt es zu weniger Frühgeburten und weniger Kaiserschnitten.

Aber das ist immer seltener gewährleistet: immer mehr selbständige Hebammen müssen aufgeben; viele Schwangere finden keine Hebamme mehr, die sie betreuen kann, und die aktiven Hebammen sind vielfach überlastet. Auch unter angestellten Hebammen sieht es wenig besser aus: 98% der Schwangeren bringen ihr Kind in der Klinik zur Welt, aber auch hier sind immer weniger Hebammen verfügbar. Umfragen unter Klinikhebammen zeigen deutlich: kaum eine Hebamme in der Klinik hat noch Zeit, eine Frau während der gesamten Geburt durchgängig zu betreuen. Die Hälfte der Befragten betreut häufig drei Frauen parallel, weitere zwanzig Prozent sind sogar häufig gleichzeitig für vier oder mehr Gebärende zuständig. Viele leisten häufig Vertretungsdienste und können ihre Pausen nicht einhalten.

Das hat verschiedene Gründe.

Bei den selbständigen Hebammen sind die steigenden Haftpflichtprämien ein zentrales Problem: 2016 stieg die Haftpflichtprämie erneut um ca. 9%, 2017 wird sie voraussichtlich noch einmal um ca. 11% steigen. Im Februar 2016 betrug die Haftpflichtprämie 6.274,32 Euro pro Hebamme.

Hier ist der Bund in der Pflicht. Bisher kamen von dort aber keine sinnvollen Konzepte: der Sicherstellungszuschlag, den Bundesminister Gröhe zur Finanzierung der Haftpflichtversicherung erwirkte, galt nur für ein Jahr. Es wurde keine einvernehmliche Lösung zu seiner Verlängerung erzielt. Das eingeschaltete Schiedsgericht hat entschieden, dass Hebammen mindestens vier Geburten pro Jahr und mindestens eine pro Quartal begleiten müssen, um den Sicherstellungszuschlag zu erhalten. Gleichzeitig wurde die Entscheidung, ob eine Hausgeburt möglich ist, komplett auf den Arzt übertragen, und es wurden formale Kriterien eingeführt, die eine Hausgeburt bzw. deren Vergütung durch die Kassen von vornherein ausschließen – wie etwa ein um drei Tage überschrittener Geburtstermin, obwohl dieser nach Erfahrung der Hebammen allein kein Kriterium für eine Risikogeburt ist. Daneben wird die Haftpflichtprämie mit dem Sicherungszuschlag nicht komplett ersetzt. So gibt es prozentuale Abzüge, etwa für nicht geburtshilfliche Leistungen (5%), für privat Versicherte (7,5%) und ein Anteil, der bereits in den Vergütungen enthalten ist. Aus diesen Gründen hat der Hebammenverband im Dezember 2015 Klage gegen den Schiedsstellen-Beschluss eingereicht.

Die insgesamt schlechte Vergütung der Hebammenleistungen ist ein weiterer Grund für die Misere. Die Bezahlung steht nicht im Verhältnis zum hohen Arbeitspensum und der großen Verantwortung der Hebammen. So wird eine Vorsorgeuntersuchung mit 25 €, ein Besuch im Wochenbett, der oft bis zu einer Stunde dauert und wichtige Präventionsarbeit leistet, mit 31 € brutto vergütet. Die Sätze, mit denen die Krankenkassen die Hebammenleistungen bezahlen, werden kontinuierlich gesenkt. Besonders niedrig ist die Vergütung von Beleggeburten. Für die 1:1-Betreuung einer Klinikgeburt erhalten freiberufliche Hebammen seit Juli 2015 ohne Zuschläge nur noch 270 €, unabhängig von der Betreuungszeit. Medizinische Eingriffe wie PDA, Wehentropf oder Kaiserschnitt werden vergütet – eine interventionsfreie Geburt jedoch bringt, trotz ihres Betreuungsaufwandes, kaum Geld. Die Beschränkung von Verantwortung und Kompetenzen sowie ein immer höherer Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand sind neben der hohen Arbeitsbelastung weitere Gründe, warum viele Hebammen aufgeben oder nur noch Vor- und Nachsorgeleistungen, aber keine Geburtsbegleitung mehr anbieten.

Aus Sicht von uns Grünen ist die freie Wahl einer Hebamme, die freie Wahl des Geburtsorts sowie die Begleitung und Unterstützung durch Hebammen vor, während und nach der Geburt für die Frauen-, Kinder- und Familiengesundheit unverzichtbar. Deshalb ist unser Ziel, das wir auch im grün-schwarzen Koalitionsvertrag festgeschrieben haben: wir wollen die flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe im ganzen Land sicherstellen und wollen die Vor- und Nachsorge durch Hebammen, sowie hebammengeleitete Geburtshilfe im Land stärken. Das grüne Sozialministerium mit der grünen Staatssekretärin Bärbl Mielich ist hier bereits im Dialog mit dem Hebammenverband Baden-Württemberg und den Krankenkassen, um die größtmöglichen Verbesserungen auf Landesebene zu erreichen.

Für die zentralen Probleme der Hebammen ist der Bund in der Pflicht, auf Landesebene und genauso in den Regionen und Kommunen gibt es aber Möglichkeiten, die Hebammen in ihrer wichtigen Arbeit zu unterstützen und ihre Situation etwas zu verbessern.

 

 

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